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Obliegenheitsverletzung bei ausweichenden Antworten

Mit nunmehr veröffentlichtem Urteil vom 11.10.2022 (Az.: 4 U 36/22) hat das Oberlandesgericht Dresden klargestellt, dass unzureichende oder ausweichende Antworten auf eine Anfrage des Versicherers, die die Grenze zur Antwortverweigerung nicht überschreiben, abhängig von den Umständen des Einzelfalls eine lediglich leicht fahrlässige Obliegenheitsverletzung darstellen können, die eine Leistungskürzung nicht rechtfertigt. Ferner stellte das OLG klar, dass eine Auskunftsobliegenheit in den allgemeinen Versicherungsbedingungen, die den Versicherungsnehmer verpflichtet, "jede Auskunft, auch in Schriftform zu erteilen", nicht die Verpflichtung zur Erteilung von Vollmachten zur Akteneinsicht in behördliche Unterlagen umfasst.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: 

 

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Brandschaden vom 30. zum 31.10.2015 in der B… straße xx in D… zu regulieren. Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstückes und schloss mit der Beklagten im Jahr 2012 eine gewerbliche Gebäudeversicherung für die Grundstücke B… straße yy und xx ab. Zum 01.01.2015 kam es zu einer Aufteilung auf die einzelnen Grundstücke.

 

Im Versicherungsschein wurde die Nutzung u. a. dahingehend definiert, dass das Gebäude 1 als Büro und Lager genutzt wurde und eine festinstallierte Großküche vorhanden ist. In den Versicherungsbedingungen Teil A heißt es u. a. wie folgt:

 

„§ 10 Versicherungswert von Gebäuden und Grundstücksbeastandteilen ist

1.1 der Neuwert …

1.2 der Zeitwert, falls Versicherung nur zum Zeitwert vereinbart ist oder falls der Zeitwert im Falle der Versicherung zum Neuwert weniger als 40% des Neuwertes beträgt (Zeitwertvorbehalt).

Der Zeitwert ergibt sich aus dem Neuwert des Gebäudes durch einen Abzug entsprechend seinem insbesondere durch den Abnutzungsgrad bestimmten Zustand;

§ 11

1.1 Der Versicherer ersetzt …

b) bei beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles zuzüglich einer durch den Versicherungsfall entstandenen und durch die Reparatur nicht auszugleichenden Wertminderung, höchstens jedoch den Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles. …

1. Neuwertschaden

1.1 Ist die Entschädigung zum Neuwert vereinbart, erwirbt der Versicherungsnehmer auf den Teil der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil) einen Anspruch nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um

1.1.1 Gebäude in der gleichen Art und Zweckbestimmung an der bisherigen oder anderen Stelle wieder herzustellen. …

§ 12

1.1 Die Entschädigung ist fällig, wenn die Feststellungen des Versicherers zum Grund und zur Höhe des Anspruches abgeschlossen sind. …

1.1.1 die Entschädigung - soweit sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach Meldung des Schadens geleistet wird - ab Fälligkeit zu verzinsen;

4. Bei der Berechnung der Fristen gemäß Ziffer 1.1 und 3.1 ist der Zeitraum nicht zu berücksichtigen, in dem infolge Verschuldens des Versicherungsnehmers die Entschädigung nicht ermittelt oder nicht gezahlt werden kann. …

§ 14

Der Versicherungsnehmer kann nach Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, dass die Höhe des Schadens in einem Sachverständigenverfahren festgestellt wird. “

§ 15

1. Vor Eintritt des Versicherungsfalles hat der Versicherungsnehmer

1.1 die versicherten Räume regelmäßig zu kontrollieren; die Einhaltung der Obliegenheit gilt als erfüllt, wenn der Versicherungsnehmer sein Aufsichtspersonal zur laufenden Überprüfung der versicherten Räume verpflichtet hat.

1.2 während einer vorübergehenden Betriebsstilllegung eine genügend häufige Kontrolle des Betriebes sicherzustellen;

In den allgemeinen Bedingungen zur Sachversicherung Teil B sind u. a. folgende Regelungen vorhanden:

㤠7

2. Obliegenheiten bei Eintritt des Versicherungsfalles Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalles,,

2.5 soweit möglich, dem Versicherer im Rahmen des Zumutbaren jede Auskunft - auf Verlangen in Schriftform - zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist sowie jede Untersuchung über die Ursache und Höhe des Schadens und über den Umfang der Entschädigungspflicht zu gestatten;

2.6 vom Versicherer angeforderte Belege beizubringen, deren Beschaffung ihm billigerweise zugemutet werden kann…

3. Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzungen

3.1 Verletzt der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit nach Ziffer 1 oder 2

vorsätzlich, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei.

3.2 Bei grob fahrlässiger Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in dem Verhältnis zu kürzen, das der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entspricht.

Das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit hat der Versicherer zu beweisen.

3.3 Außer im Falle einer arglistigen Obliegenheitsverletzung ist der Versicherer jedoch zur Leistung verpflichtet, soweit der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. …

§ 19

Der gesamte Geschäftsverkehr läuft über den Makler. Der Makler ist bevollmächtigt, vertraglich obliegende Anzeigen, Willenserklärungen und Zahlung des Versicherungsnehmers für den Versicherer in Empfang zu nehmen. “

 

Das vierstöckige Gebäude wurde in den 70er Jahren in Plattenbauweise errichtet. Es wurde Anfang der 90er Jahre als Ausbildungsbetrieb für die Lehrlingsausbildung und später bis Oktober 2011 als Hotel genutzt. Im Erdgeschoss befanden sich ein Restaurant und eine Kantine nebst Küche und Kühlräumen. Im ersten Obergeschoss befanden sich Büro- und Unterrichtsräume, im zweiten Obergeschoss Büro- und Verwaltungsräume sowie Hotelzimmer, im dritten Obergeschoss 25 Hotelzimmer. Nach der Einstellung des Hotelbetriebes wurde das Gebäude von Mitarbeitern für Verwaltungstätigkeiten bis Ende 2014 genutzt. Ab Januar 2015 war es nur noch Lagerstätte für Geschäftsunterlagen und Betriebseinrichtungen. Wasserversorgung und Heizung wurden abgestellt.

 

Das Objekt wurde durch vorsätzliche Brandstiftung in der Nacht zum 31.10.2015 beschädigt. Die Täter T… H… und S… G. wurden durch Urteil des Amtsgerichtes Dresden vom 10.10.2017 (216 Ls 207 Js 35771/16) zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren, die jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Die Eheleute J… und M… H… (Bruder und Schwägerin des Täters T… H…) wurden durch das Urteil des Amtsgerichtes Dresden vom 13.10.2020 (205 Ls 207 Js 64832/16) wegen Beihilfe zur Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt.

 

Am 04.11.2015 fand eine Ortsbegehung u. a. im Beisein des Sachverständigenbüros R. & Partner (Herr F…), das von der Beklagten mit der Ermittlung des Schadens beauftragt worden waren, statt.

 

Der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin - W… M… - unterzeichnete mit der Q… Verwaltungs GmbH - ebenfalls vertreten durch den Geschäftsführer W… M… und unter derselben Anschrift geschäftsansässig - einen auf den 15.12.2015 datierenden Mietvertrag über das Objekt. Die Mietzeit sollte zum 01.07.2016 beginnen, am 30.06.2021 (mit Verlängerungsoption) enden, als Grundmiete waren 18.000,00 € monatlich vereinbart.

7Am 07.12.2015 zahlte die Beklagte eine Vorauszahlung auf den Gebäudeschaden von 25.000,00 €.

 

Die Beklagte übersandte der Klägerin am 13.01.2016 einen umfangreichen Fragenkatalog und bat um Vorlage einer Bevollmächtigung zur Kontaktaufnahme mit Beteiligten zur Einholung von Auskünften beim zuständigen Bauamt, etwaigen Vorversicherern sowie dem Jugendamt Dresden (Anlage 2b). Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 25.02.2016, in der sie eine generelle Vollmachtserteilung ablehnte. Das von der Beklagten beauftragte Sachverständigenbüro Renz & Partner schrieb die Klägerin am 01.02.2016 an (Anlage B5b) und bat um eine Vollmacht zur Akteneinsicht bei der Bauordnungsbehörde zur Feststellung des Schadensumfangs. Des Weiteren wurde gebeten, eine Checkliste zu den notwendigen Unterlagen zu beantworten. Mit Schreiben vom 05.02.2015 teilte die Klägerin mit, dass die entsprechenden Unterlagen nicht vorlägen, sie aber hinsichtlich einzelner Unterlagen zur Beschaffung gegen eine Kostenübernahmebestätigung der Beklagten bereit sei.

 

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 09.08.2016 ihre Eintrittspflicht wegen anhaltender und vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungsobliegenheit ab (Anlage K5).

 

Der Senat hat die Beklagte im Parallelverfahren mit Urteil vom 06.10.2020 (4 U 2789/19) aus der Inhaltsversicherung verurteilt, einen Betrag in Höhe von 2.430,00 € zu zahlen (unter Berücksichtigung einer Vorauszahlung von 10.000,00 €).

 

Die Klägerin hat behauptet, ihr stehe der Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht aus dem Versicherungsvertrag zu. Sie könne den Anspruch noch nicht beziffern und habe mangels Regulierung mit der Reparatur des Gebäudes nicht beginnen können. Das Gebäude sei weder unzureichend gesichert gewesen noch hätten Obdachlose im Gebäude übernachtet. Mehrmals in der Woche habe es Kontrollgänge gegeben. Die Fenster seien geschlossen gewesen. Dies habe der Zeuge D… als zuständiger Mitarbeiter für die Klägerin auch an den Tagen der Räumungsarbeiten am 29. und 30.10.2015 kontrolliert. Zu einer Einbruchsserie sei es erst nach dem Brandschaden gekommen, obwohl die Klägerin das Gebäude gesichert habe. Sie habe ihre Aufklärungspflichten nicht verletzt und habe alle Auskünfte erteilt. Zu einer Erteilung von Vollmachten sei sie nicht verpflichtet gewesen. Zur Vorlage des Mietvertrages sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, denn dieser sei nach dem Schadensereignis abgeschlossen worden und insoweit werde ein Verzugsschaden geltend gemacht. Das Gebäude habe sich vor dem Schadensereignis in einem altersgemäßen Zustand befunden und keine Feuchtigkeitsschäden aufgewiesen. Die Klägerin könne die Reparaturkosten nicht aus eigenen Mitteln aufbringen.

 

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Feststellungsklage schon unzulässig sei. Wenn Schadensumfang und Schadenshöhe streitig seien, könne kein Grundurteil ergehen, denn es könnten sich im Rahmen der Beweisaufnahme über die Schadenshöhe Umstände ergeben, die Rückschlüsse auf ein etwaiges arglistiges Verhalten oder eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers und dessen Motivation zuließen. Dies gelte entsprechend für den Feststellungsanspruch. Die Klägerin habe den Brandschaden herbeigeführt. Die Täter seien durch J… und M… H… zur Tat angestiftet worden und diese seien durch den Geschäftsführer der Komplementär GmbH der Klägerin - W… M… - entlohnt worden. Zudem habe es eine Häufung von Brandschadensereignissen mit Versicherungsfällen in den Objekten der Klägerin bzw. Unternehmungen gegeben, an denen deren Geschäftsführer beteiligt sei. Der Versicherungsfall sei jedenfalls grob fahrlässig herbeigeführt worden. Das Offenstehenlassen von Fenstern begründe einen solchen Vorwurf. Die verurteilten Täter hätten bestätigt, dass ein Fenster offen gestanden habe. Des Weiteren liege eine vorsätzliche Gefahrerhöhung vor, denn das Objekt habe seit langer Zeit leer gestanden und sei Zielobjekt von unberechtigten Personen geworden. Zudem habe die Klägerin ihre Aufklärungspflichten vorsätzlich verletzt. Sie habe die Fragen der Beklagten nicht ausreichend beantwortet und auch die Zustimmungserklärung für die Einsichtnahme in die Bauakten verweigert. Die Einsichtnahme sei erforderlich gewesen, um der Beklagten eine Prüfung ihrer Einstandspflicht zu ermöglichen, insbesondere zur Feststellung des Umfangs des Schadens. Die Klägerin habe sich hartnäckig geweigert. Dies sei arglistig. Ein Mietausfallschaden bestehe nicht, denn die Klägerin habe den Mietvertrag allein zu dem Zweck abgeschlossen, vermeintliche Entschädigungsansprüche zu generieren. Es sei nicht geplant gewesen, das Objekt herzustellen und zu vermieten. Tatsächlich habe die Q… Verwaltungs GmbH gar keine Verwendung für eine Mietfläche von 3.000 m². Der Mietzins sei darüber hinaus nicht angemessen. Zudem sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert, denn es fehle die Zustimmung des Grundpfandgläubigers.

 

Das Landgericht hat den Zeugen F… (Mitarbeiter der Firma R. & Partner), den Zeugen W… (Mitarbeiter der Firma S… Assekuranz) sowie den Zeugen S…z (Architekt der Klägerin) vernommen und der Klage mit Urteil vom 24.11.2021 stattgegeben.

 

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie meint, das Landgericht habe zu Unrecht die Zulässigkeit des Feststellungsantrages bejaht. Des Weiteren sei zum Nachweis der Eigenbrandstiftung eine Vielzahl von Beweisantritten der Beklagten übergangen worden. Die Beklagte habe zahlreiche Indizien für eine Eigenbrandstiftung genannt. Die Täter der Brandstiftung hätten kein Motiv für die Tat gehabt und seien vielmehr von der für den Gebäudeeigentümer tätigen Hausmeisterin M… H. zur Begehung der Straftat angestiftet worden. Die Klägerin hätte für den Umbau zum Asylbewerberheim umfangreiche Baumaßnahmen in einem siebenstelligen Eurobetrag aufwenden müssen, den sie nicht hätte finanzieren können. Jedenfalls sei die Brandstiftung grob fahrlässig herbeigeführt worden. Es sei unter Beweisantritt vorgetragen worden, dass es öfter zu Einbrüchen gekommen sei und eine Sicherung des Objektes gefehlt habe. Zur Tatzeit sei ein Fenster angelehnt gewesen. Man hätte jederzeit einbrechen können, da die Fenster immer offen gestanden hätten. Darüber hinaus liege eine Obliegenheitsverletzung vor. Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin keine Vollmacht zur Einsicht in die Bauakten erteilen müsse. Dass sich aus den Bauakten eine mögliche Indizlage für eine Eigenbrandstiftung ergeben könne, sei offensichtlich. Auch würden die Akten benötigt, um die Höhe weiter aufzuklären. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die dinglich gesicherten Gläubiger eine einschränkungslose Zustimmung zu der Auszahlung der Entschädigungsleistung erteilt hätten. Die Beklagte schulde zudem lediglich die schadensbedingt notwendigen Reparaturarbeiten zum Zeitwert. Zudem sei der Urteilstenor zu weit gefasst, denn es werde nicht differenziert zwischen den Anspruchsvoraussetzungen, nämlich dem Neuwertanteil und der Umsatzsteuer. Der Urteilstenor zu 2. werde nicht einmal im Urteil begründet. Das Landgericht gehe von Verzugsfolgeschäden aus, ohne Ausführungen zum Verzug und zur Kausalität zu machen.

 

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung des Landgerichtes Dresden vom 24.11.2021 (Az.: AO 1411/19) die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

[...]

 

 

 

II.

 

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet.

 

A.

Die Feststellungsklage ist zulässig.

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Urteil vom 13.04.2022 - IV ZR 60/20 - juris) kann eine auf Feststellung der Eintrittspflicht des Versicherers gerichteten Klage eines Versicherungsnehmers grundsätzlich nicht die Möglichkeit einer Leistungsklage entgegengehalten werden, wenn in den Versicherungsbedingungen - wie hier - die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens zur Klärung der Schadenshöhe vorgesehen ist. Mit Rücksicht auf das vorgesehene Sachverständigenverfahren, braucht sich der Versicherungsnehmer nicht auf eine Leistungsklage verweisen zu lassen. Eine Verpflichtung, sich schon im Rechtsstreit zu erklären, ob er das Sachverständigenverfahren beantragen wird, besteht nicht (vgl. BGH, a.a.O.). Es gilt auch nichts Anderes, wenn nicht auszuschließen ist, dass sich bei der späteren Klärung der Schadenshöhe bislang nicht erörterte Umstände ergeben, die Rückschlüsse auf ein etwaiges arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers und dessen Motivation zulassen könnten. Insoweit können nicht generell die bei einer solchen Sachlage geltenden Grundsätze zur Unzulässigkeit des Grundurteils gemäß § 304 ZPO auf die Frage der Zulässigkeit einer Feststellungsklage übertragen werden (so BGH, a.a.O.). Bei Erlass des Grundurteils besteht die Gefahr, dass es innerhalb desselben Prozesses zu widersprechenden Entscheidungen kommt. Diese Gefahr besteht aber nicht, wenn sich an ein antragsgemäß erlassenes Feststellungsurteil ein außergerichtliches Sachverständigenverfahren anschließt (so BGH, Urteil vom 13.04.2022 - IV ZR 60/20 - juris).

 

Das Feststellungsinteresse ist auch im Übrigen im Hinblick auf den Verzugsschaden gegeben, § 256 ZPO. Die Klägerin mag zwar den Mietausfallschaden beziffern können. Die von ihr angeführten weiteren Schäden an dem Objekt, die durch den Zeitablauf und die unterlassene Instandsetzung, entstanden sein sollen, kann sie jedoch nicht beziffern.

 

B.

 

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf bedingungsgemäße Regulierung des Gebäudeschadens vom 30.10./31.10.2015 aus dem Versicherungsvertrag vom 21.03.2012 zu.

 

a) Der Versicherungsfall ist unstreitig eingetreten. Das versicherte Gebäude B… straße xx in D… ist durch einen Brandschaden geschädigt worden.

 

b) Die Beklagte ist nicht gemäß § 81 Abs. 1 VVG leistungsfrei.

 

Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat, liegen nicht vor. Die Beklagte hat den Vollbeweis dafür zu erbringen; Beweiserleichterungen kommen ihr nicht zugute (vgl. Senat, Urteil vom 18.04.2017 - 4 U 1564/16 - juris, Rn. 35). Der Versicherer kann den nach § 286 ZPO zu erbringenden Beweis auch über nachgewiesene bzw. unbestrittene Indizien führen, wenn diese in der Gesamtschau nach der Lebenserfahrung die sichere Überzeugung von der beweisbedürftigen Tatsache vermitteln. Für den so geführten Indizienbeweis genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (so Senat, a.a.O.). Weder die einzelnen von der Beklagten vorgetragenen Indizien noch die Gesamtschau rechtfertigen indes den Schluss auf eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles.

26Der Umstand, dass der Geschäftsführer der Komplementär GmbH bzw. die mit ihm verbundenen Unternehmen in der Zeit von April 1996 bis Januar 2012 von 11 Brandschäden betroffen waren, reicht als Indiz für eine Eigenbrandstiftung nicht aus. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 30.01.2020 ausführlich zu den von der Beklagten aufgeführten Fällen Stellung genommen und angegeben, dass es sich nur in sieben Fällen um einen Brandschaden gehandelt habe, wobei die Ursache in einem Fall ein Kabelschaden an einer Waschmaschine, einmal ein Kurzschluss, in einem weiteren Fall das Wegwerfen einer Zigarette und in einem anderen Fall ein Feuerwerkskörper Ursache gewesen sei. Nur in drei Fällen habe es sich um eine vorsätzliche Brandstiftung gehandelt. Die Beklagte hat sich mit diesen substantiierten Einwendungen nicht auseinandergesetzt und dazu keine Stellung genommen. Im Hinblick auf den Umstand, dass nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Klägerin in einem Zeitraum vom 20 Jahren ca. 300 Versicherungsverträge bestanden haben, kann eine auffällige Häufung an Vorschäden bei drei vorsätzlichen Brandstiftungen im April 1996, am 14.03.2004 und am 21.01.2012 auch unter Berücksichtigung der streitgegenständlichen vorsätzlichen Brandstiftung nicht festgestellt werden.

 

Auch aus den sonstigen von der Beklagten vorgetragenen Indizien lässt sich nicht auf eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles schließen. Eine Motivation ist nicht erkennbar. Die Beklagte hat nicht behauptet, dass sich die Klägerin in einer finanziell angespannten Situation befunden habe. Dafür liegen auch keine Anhaltspunkte vor, denn die Klägerin hat gegenüber der Beklagten im Rahmen der Schadensregulierung angegeben, dass das Objekt lastenfrei sei und das Geschäftskonto im Haben geführt werde. Der beabsichtigte Umbau in ein Asylbewerberheim und die damit verbundenen Kosten in Höhe von ca. 600.000,00 € bis 700.000,00 € (nach dem Vorbringen der Beklagten) stellen schon deshalb keinen Grund für eine vorsätzliche Brandstiftung dar, weil mit den Versicherungsleistungen der Brandschaden zunächst hätte beseitigt werden müssen und daher ein Umbau sowie eine zeitnahe Nutzung als Asylbewerberheim im Falle eines Brandes nicht möglich gewesen wäre.

28Die Beklagte hat keine konkreten Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass die Eheleute J. und M… H…, die die Täter der Brandstiftung - T… H… und S… G. .. - zur Tat angestiftet haben, ihrerseits vom Geschäftsführer der Komplementär GmbH der Klägerin zur Tat angestiftet wurden. Die Eheleute J… und M… H… wurden durch das Urteil des Amtsgerichtes Dresden vom 13.10.2020 (205 Ls 207 Js 64832/16) wegen Beihilfe zur Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zur Bewährung verurteilt. Sie haben T… H… und S… G…, die die Brandstiftung begangen haben, zur Tat angestiftet. Anhaltspunkte dafür, dass M… und J… H. wiederum vom Geschäftsführer der Klägerin zur Tat veranlasst worden sind, hat die Beklagte nicht benannt und sind aus den beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Dresden (207 Js 35771/16 und 207 Js 64832/16) nicht ersichtlich. Die Pläne für das Asylbewerberheim sollen zwar nicht allgemein bekannt gewesen sein. Dies zwingt jedoch nicht zu dem Schluss, dass M. und J… H. diese Information von dem Geschäftsführer der Klägerin hatten und von diesem zur Brandstiftung aufgefordert wurden. M… H… hat bei ihrer Vernehmung (noch als Zeugin) angegeben (207 Js 64832/16, Bl. 342, 348 und 352), dass sie diese Information von einer Bekannten habe, deren Vater bei der Gemeinde arbeite. Ob es eine Verbindung zwischen M… H…, die als Hausmeisterin tätig war, und der Klägerin gibt, ist nicht ersichtlich. M… H… hat bei ihrer Vernehmung bei der Polizei angegeben, dass ihr der Name „M. “ nichts sage. Soweit die Beklagte etwas Gegenteiliges vorbringt und behauptet, der Geschäftsführer der Klägerin habe Frau M… H… zu der Brandstiftung veranlasst, erfolgt dies ins Blaue hinein. Unabhängig davon kann zugunsten der Beklagten als wahr unterstellt werden, dass M… H… der Name „M. “ im Vorfeld des Schadenstages bereits bekannt war und sie diesen auch genannt hat. Daraus lässt sich aber nicht schließen, der Geschäftsführer der Komplementär GmbH habe M… H… oder J… H. veranlasst, sein Gebäude in Brand zu stecken. Der Name „M…“ kann M… H… auch deswegen bekannt gewesen sein, weil er Geschäftsführer der Komplementär GmbH ist und als solcher mit den Grundstücken B… straße yy und xx in Verbindung steht. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass M… H… für die Klägerin oder deren Geschäftsführer M… tätig gewesen ist. Die Beklagte trägt dazu auch nicht konkret vor.

 

Ebenso wenig ist der Umstand, dass die Täter T… H… und S… G. kein Motiv für die Tat hatten und sie auch nicht einer bekannten rechten Szene zuzuordnen waren, ein Indiz für die Beteiligung des Geschäftsführers der Komplementär GmbH an der Tat. Die Zeugen im Strafverfahren sowie die Täter S… G… und T… H… - dieser auch bei seiner Einvernahme vor dem Senat im Parallelverfahren - schilderten die Situation so, dass die Entscheidung für die Tat aus der Situation heraus entstanden sei und insbesondere M… H… den Täter T… H. gezielt zur Tat angestachelt habe, indem sie gesagt habe, dass man das anzünden solle und er - T… H. .. - nicht den notwendigen Mut zur Brandstiftung hätte.

 

c) Der Versicherungsfall wurde auch nicht grob fahrlässig herbeigeführt im Sinne von § 81 Abs. 2 VVG.

 

Dies setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer durch positives Tun oder Unterlassen von Versicherungsmaßnahmen die drohende Gefahr der Verwirklichung hervorruft, obwohl er über geeignete Mittel zum Schutz des Versicherteninteresses verfügt (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 31. Aufl., § 81 Rn. 10). Die Beweislast trifft den Versicherer. Bereits mit Urteil vom 06.10.2020 (4 U 2789/19) im Parallelverfahren zur Inhaltsversicherung hat der Senat dies verneint, weil die Klägerin ihren Mitarbeiter - den Zeugen D… - mit Kontrollgängen beauftragt hat. Der Zeuge wurde vom Senat im Parallelverfahren gehört und gab an, dass er eine regelmäßige Bestreifung des Gebäudes seit Ende der Hotelnutzung vorgenommen habe, ein- bis zweimal pro Woche. Die letzte Kontrolle habe er am Tag vor dem Brandereignis durchgeführt. Der Senat hat angenommen, dass die Kontrollen zwar möglicherweise nicht mit der gebotenen Sorgfalt erfolgt sind, jedoch kein Anhaltspunkt dafür bestand, dass Kontrollgänge gänzlich unterlassen worden sind. Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, zeigt die Beklagte nicht auf. Der Umstand, dass der Zeuge H… in der Tatnacht ein offenstehendes Fenster vorgefunden und auch an anderen Tage offenstehende Fenster im hinteren Teil des Gebäudes wahrgenommen haben will, rechtfertigt keine andere Bewertung.

 

d) Eine Leistungsfreiheit oder Leistungskürzung ist auch nicht wegen Gefahrerhöhung gemäß § 8 Abs. 5 der AVB gerechtfertigt. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im März 2012 wurden nur noch einige Räume als Büro- und Lagerstätte genutzt. Dies entsprach auch den Angaben im Versicherungsschein vom 21.03.2012 (Anlage K1), in dem als Nutzung „festinstallierte Großküche, Büro und Lager“ angegeben waren. Die Nutzung als Hotel- und Ausbildungsstätte war schon vor Vertragsschluss eingestellt worden.

 

Auch der Umstand, dass in der Tatnacht ein Fenster nur angelehnt war, stellt keine Gefahrerhöhung im Sinne der Versicherungsbedingungen dar. Als Gefahrerhöhung können nur solche Gefährdungsvorgänge angesehen werden, die nicht die Gefahr als solche alsbald verwirklichen, sondern ihrer Natur nach geeignet sind, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrenverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalles generell zu fördern geeignet ist (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 31. Aufl., § 23 Rdnr. 32). Die Annahme einer Gefahrerhöhung setzt weiter voraus, dass der neue Zustand erhöhter Gefahr mindestens von einer solchen Dauer sein muss, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Geschehensverlaufes bilden kann und so den Eintritt des Versicherungsfalles zu fördern geeignet ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.2020 - IV ZR 229/09, Rdnr. 16 - juris). Ein einmaliges oder auch mehrmaliges Offenstehen lassen eines Fensters genügt nicht. Der Zeuge T… H. hat zwar vor dem Senat im Parallelverfahren am 01.09.2020 angegeben, dass auch an den Vortagen zahlreiche Fenster geöffnet gewesen seien. Dies ist aber ebenfalls nicht ausreichend, um von einer Dauerhaftigkeit auszugehen, zumal in den vier Tagen vor dem Brandereignis nach den Angaben des Zeugen D… vor dem Senat Beräumungsarbeiten stattgefunden haben, was das Offenstehen der Fenster während dieser Tätigkeiten erklären kann.

 

e) Eine Leistungskürzung kommt auch nicht wegen Verletzung von Obliegenheiten in Betracht.

 

aa) Die Klägerin war nicht verpflichtet, auf Anforderung der Beklagten eine Vollmacht zu erteilen, um dieser eine Einsichtnahme in Bauakten oder auch andere behördlicher Unterlagen zu ermöglichen. Wie bereits mit Urteil vom 06.10.2020 des Senates (4 U 2789/19) im Parallelverfahren unter Ziffer 2e) ausgeführt, ergibt sich eine so weitgehende Verpflichtung nicht aus den allgemeinen Versicherungsbedingungen. Der Versicherungsnehmer ist gemäß § 7 Nr. 2.5 AVG - Teil A verpflichtet, dem Versicherer im Rahmen des Zumutbaren jede Auskunft - auf Verlangen auch in Schriftform - zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist sowie jede Untersuchung über die Ursachen und Höhe des Schadens und über den Umfang der Entschädigungspflicht zu gestatten. Des Weiteren ist er nach § 7 Ziffer 2.6 der AVB - Teil A verpflichtet, vom Versicherer angeforderte Belege beizubringen, deren Beschaffung ihm billigerweise zugemutet werden kann. Die Aufklärungs- und Obliegenheitspflicht des Versicherungsnehmers ist zwar grundsätzlich weit gefasst (vgl. BGH, Beschluss vom 13.04.2016 - IV ZR 152/14 - juris; vgl. Senat, Urteil vom 18.04.2014 - 4 U 1564/16). Gleichwohl besteht eine Verpflichtung zur Vollmachtserteilung auch im Rahmen einer Gebäudeversicherung, bei der eine Einsichtnahme in Bauunterlagen zur Feststellung des Schadens zweckmäßig sein kann, nicht. Bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen kommt es darauf an, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf sein Interesse an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 18.10.2017 - IV ZR 188/16 - juris). Der Wortlaut der Versicherungsbedingungen gibt für die Pflicht zu einer solchen Vollmachtserteilung nichts her. Auch der Sinnzusammenhang der Regelungen lässt für den Versicherungsnehmer nicht erkennen, dass er zur Erteilung von Vollmachten verpflichtet werden soll.

 

bb) Eine Obliegenheitsverletzung durch die Nichtbeantwortung der Fragen der Beklagten in ihren Schreiben vom 13.01.2016 (Anlage B2) und 21.07.2016 (Anlage B2e) besteht nicht. Die Klägerin hat zahlreiche Schreiben vorgelegt, in denen sie auf die Fragen der Beklagten eingegangen ist und deren Zugang die Beklagte gegen sich gelten lässt. Auf die Fragen der Beklagten im Schreiben vom 16.11.2015 (Anlage K15) hat die Klägerin mit Schreiben vom 28.11.2015 (Anlage K16) auf die Fragen im Schreiben vom 13.01.2016 mit Schreiben vom 25.01.2015 (Anlage K18) geantwortet und ist hierbei auf jeden Punkt eingegangen. Eine weitere Stellungnahme erfolgte am 25.02.2016 (Anlage K21). Auch auf das Schreiben vom 21.07.2016 hat die Klägerin geantwortet mit Schreiben vom 26.07.2016 (Anlage B2f).

 

Nachdem die Klägerin unter Vorlage ihrer entsprechenden Antwortschreiben dargelegt hat, dass sie auf sämtliche Fragen der Beklagten geantwortet hat, wäre es Sache der Beklagten gewesen, darzulegen, welche ihrer konkreten Fragen aus den umfangreichen Fragenkatalogen nicht beantwortet sein sollen. Darauf hat der Senat mit Verfügung vom 22.08.2022 hingewiesen. Die Beklagte hat hierzu jedoch nichts Konkretes vorgetragen. Dass die Antworten aus Sicht der Beklagten unbefriedigend oder unzureichend gewesen sein mögen, stellt noch keine Obliegenheitsverletzung dar, weil die Grenze zur Antwortverweigerung jedenfalls nicht überschritten ist.

 

cc) Allerdings hat die Klägerin die Fragen aus dem Anschreiben des von der Beklagten beauftragten Sachverständigenbüros Renz & Partner vom 01.02.2016 (Anlage B5b) nicht ausreichend beantwortet. Die hierin liegende Obliegenheitsverletzung ist jedoch nur als leicht fahrlässig zu bewerten und rechtfertigt daher keine Leistungskürzung, § 12 Ziffer 3 AVB Teil B.

38Die Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers erschöpft sich nicht in der formalistischen Beantwortung des Wortlauts der gestellten Fragen (vgl. BGH, Urteil vom 21.04.1993 - IV ZR 34/92 - juris). In welchem Umfang Auskunft zu erteilen ist, ergibt sich aus dem Sinn der gestellten Frage. Die Antwort soll gewährleisten, dass der Versicherer in die Lage versetzt wird, die sachgemäßen Entschließungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen (vgl. BGH, a.a.O.). Bei der Auskunftspflicht kommt es auch nicht darauf an, ob der Auskunftspflichtige das zu vermittelnde Wissen bereits selbst hat. Er muss sich über die Tatsachen, zu denen der Versicherer berechtigt Auskunft verlangt, gegebenenfalls erkundigen (vgl. BGH, Urteil vom 21.04.1993 - IV ZR 34/92). Der Versicherungsnehmer ist gehalten, sich dann, wenn er Fragen nicht ohne weiteres beantworten kann, kundig zu machen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 29.04.1997 - 9 U 200/96 - juris).

 

Mit Schreiben vom 01.02.2016 hat das von der Beklagten beauftragte Sachverständigenbüro R & Partner um die Beantwortung ihrer Fragen und Vorlage entsprechender Unterlagen gemäß der beigefügten Checkliste gebeten. Des Weiteren wurde um eine Vollmacht gebeten, eine Akteneinsicht bei der Bauordnungsbehörde durchzuführen. Wie bereits ausgeführt, besteht eine Verpflichtung der Klägerin zu einer solchen Vollmachtserteilung nicht. Gleichwohl war sie aber verpflichtet, auf die Fragen zu antworten und entsprechende Pläne und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. § 12 Ziffer 2.5 und 2.6 AVB Teil B verpflichten die Klägerin im Rahmen des Zumutbaren jede Auskunft zu erteilen und Belege beizubringen, deren Beschaffung billigerweise zugemutet werden kann. Dazu gehören u. a. Ausführungszeichnungen, Detailzeichnungen der Stahlbetonkonstruktion, Baugenehmigungsunterlagen, Ausführungspläne der Elektroinstallation sowie der Heizungs- und Trinkwasserinstallation. Die Antwort der Klägerin im Schreiben vom 05.02.2015 beschränkte sich allerdings in wesentlichen Teilen auf die Mitteilung, dass ihr entsprechende Zeichnungen und Ausführungspläne sowie die Baugenehmigung zum Bauzustand nicht vorlägen. Die Klägerin hat sich indes nicht um die Beschaffung von entsprechenden Unterlagen, etwa durch eigene Einsichtnahme in die Akten der Bauordnungsbehörde, bemüht. Dazu war sie jedoch grundsätzlich verpflichtet. Die Einsichtnahme in die Bauakten des eigenen Grundstückes wäre ihr ohne weiteres zumutbar gewesen. Eine solche Einsichtnahme und Kopie der Unterlagen ist weder sehr zeitaufwändig noch erfordert sie Kosten in erheblicher Höhe. Im Hinblick auf den eingetretenen Schaden von über einer Million Euro - nach der Behauptung der Klägerin -, wäre ihr diese Mühewaltung in jedem Fall zumutbar gewesen. Sie hat sich aber darauf beschränkt, weitere Aktivitäten von einer Kostenübernahmeerklärung durch die Beklagte abhängig zu machen. Die Kosten für die Einsichtnahme und Anfertigung von Kopien hätten zwar von der Beklagten getragen werden müssen, da es um Kosten für die Ermittlung des Schadens geht, § 12 Nr. 2.1. AVB - Teil B. Angesichts der geringen Höhe der Kosten, wäre es für die Klägerin jedoch zumutbar gewesen, diese vorzustrecken, zumal die Beklagte eine Vorauszahlung auf den Schaden in Höhe von 25.000 € geleistet hat.

 

Trotz Vorliegen einer objektiven Obliegenheitsverletzung besteht jedoch kein Recht der Beklagten, die Leistung zu verweigern oder zu kürzen. Denn unabhängig von der Frage, ob die Klägerin die Beschaffung von Ausführungsplänen und weiteren Unterlagen von einer Kostenübernahmeerklärung seitens der Beklagten für die Akteneinsicht und die Kopien verlangen durfte, ist ihr Verhalten als leicht fahrlässig einzustufen. Die Klägerin hat ihre Bereitschaft erklärt, entsprechende Unterlagen im Archiv der Landeshauptstadt beschaffen zu wollen, wenn die Beklagte die Kosten hierfür übernimmt. In diesem Fall mag sie sich allenfalls über den Umfang ihrer Verpflichtung geirrt haben, hat sich aber weder vollständig geweigert, weitere Auskünfte zu erteilen, noch ins Blaue hinein falsche Angaben gemacht.

 

Soweit Herr H… mit Schreiben vom 28.02.2016 (Anlage B3) im Auftrag der Klägerin der Beklagten mitgeteilt hat, dass die von dem Sachverständigenbüro R. angeforderten Unterlagen den Eindruck der Verzögerung durch die Beklagte erwecken und es möglich sein müsse, die Kosten für die Wiederherstellung auch ohne diese einschätzen, hat die Klägerin allerdings die weitere Beantwortung abgelehnt. Dies bringt sie auch in ihrem Schreiben vom 05.02.2015 (Anlage K 20) zum Ausdruck. Dort vertritt sie die Auffassung, dass sie die vom Sachverständigen gestellten Fragen vom 01.02.2016 vollständig beantwortet habe, was jedoch nicht der Fall war. Der daraus ersichtliche Rechtsirrtum der Klägerin rechtfertigt jedoch die Annahme einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung nicht. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Grade, außer Acht, wer nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 31. Aufl., § 28 Rn. 205). Die Klägerin hat die Beantwortung der Fragen nicht pauschal zurückgewiesen, sondern ist zumindest auf jede einzelne Frage eingegangen, mag die Antwort auch im Einzelfall unzulänglich gewesen sein. Auch die anschließende Weigerung, weiter auf die Fragen einzugehen, in der Annahme sie beantwortet zu haben, erachtet der Senat angesichts des vorausgegangenen Schriftverkehrs und des zunehmenden Zeitablaufs seit dem Schadensfall noch nicht als grob fahrlässig, sondern letztlich als von Ärger über vermutliche Regulierungsverzögerung getragene Interpretation.

 

2. Der Klägerin steht aber kein Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist, dass sie mangels Regulierung durch die Beklagte das Gebäude B… straße xx nicht bis zum 01.07.2016 wiederherstellen und nutzen konnte, zu. Die Beklagte befand sich mit der Zahlung des Regulierungsbetrages nicht in Verzug. Denn die Feststellungen zur Schadenshöhe waren noch nicht beendet und die Höhe des Regulierungsbetrages stand zu keinem Zeitpunkt fest. Die Geldleistung des Versicherers wird gemäß § 14 VVG, § 12 Ziffer 1.1 AVB Teil A erst fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen. Die Feststellungen zur Höhe des Schadens konnten auch nicht beendet werden, da die Klägerin der Beklagten die vom Sachverständigenbüro Renz & Partner angeforderten Unterlagen und Pläne, die durch eine Akteneinsicht hätten beschafft werden können, nicht zur Verfügung gestellt hat. Eine Leistungsklage wäre nach § 14 VVG als derzeit unbegründet abzuweisen gewesen.

43Die Beklagte war mit der Ablehnung der Leistung zum 09.08.2016 nur mit der Anerkennung ihrer grundsätzlichen Einstandspflicht in Verzug geraten, jedoch nicht mit der Zahlung eines bestimmten Betrages.

 

An dieser Stelle kann daher auch offenbleiben, ob es sich bei dem von der Klägerin vorgelegten Geschäftsraummietvertrag vom 15.12.2015 um einen Scheinvertrag gemäß § 117 BGB handelt. Unstreitig stand das Gebäude über einige Jahre vor dem Brandereignis überwiegend ungenutzt leer. Die Klägerin will dann sechs Wochen nach dem Brandschaden einen Nachmieter gefunden haben, bei dem es sich allerdings um ein mit ihr verbundenes Unternehmen handelt. Vor dem Hintergrund der Aussagen des Geschäftsführers der Komplementär GmbH M… vor der Polizei am 21.04.2016 (Akte der Staatsanwaltschaft Dresden 207 Js 64832/16, Bl. 287 ff.), in der er angab, dass das Objekt seit 2011 bei Immoscout angeboten worden sei, aber die Konzepte der Interessenten nicht tragfähig gewesen seien, erscheint dies schwer nachvollziehbar, zumal er dort auch angegeben hat, dass er mit der Landesdirektion über die Nutzung als Erstaufnahmeunterkunft verhandelt habe, jedoch nach einer Besichtigung am 17.02.2015 das Objekt als nicht passend angesehen worden sei. Es ist schwer nachvollziehbar, dass eine Nutzung für das Objekt über nahezu 4 Jahre hinweg nicht gefunden werden konnte, aber 6 Wochen nach dem Brandereignis ein mit der Klägerin verbundenes Unternehmen bereit war, das Objekt für 18.000 € im Monat ab Mitte 2016 anzumieten. Da es hier aber bereits an einem Verzugseintritt fehlt, bedürfen diese Umstände keiner näheren Aufklärung.

453. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen aus dem zu regulierenden Zahlungsbetrag zu. Wie bereits ausgeführt, befand sich die Beklagte nicht mit der Zahlung eines bestimmten Zahlbetrages in Verzug. Der Verzug mit einer Zahlungsverpflichtung setzt voraus, dass die Größenordnung bekannt ist. Die Klägerin hat die Beklagte auch nicht zur Zahlung eines bestimmten Betrages aufgefordert.

 

Eine Verzinsungspflicht folgt auch nicht aus § 91 VVG, § 12 Ziffer 4 AVB - Teil A, denn der Lauf der Frist ist gehemmt, solange der Schaden infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht festgestellt werden kann. Dies ist der Fall, denn die Klägerin hat - wie bereits ausgeführt -, die Fragen der Beklagten fahrlässig nicht beantwortet.

 

4. Die Klägerin ist zur Geltendmachung des Anspruches auf Feststellung der Einstandspflicht als Versicherungsnehmerin aktiv legitimiert. Gegenstand der Klage sind keine Zahlungsansprüche, so dass es auf § 94 VVG nicht ankommt.

 

5. Der Klägerin steht lediglich der Zeitwert zu. Nach ihrem eigenen Vorbringen fallen Reparaturkosten unterhalb des Gebäudezeitwertes an. Im Übrigen hat die Klägerin die Beseitigung der Schäden nicht binnen der Frist von drei Jahren sichergestellt, § 11 Ziffer 1 AVB Teil A. Bei der im Versicherungsvertrag enthaltenen Klausel handelt es sich um eine strenge Wiederherstellungsklausel mit einer Ausschlussfrist nach Ablauf von drei Jahren. Nach fruchtlosem Fristablauf kann in deren Anwendungsbereich der Anspruch auf die Neuwertentschädigung nicht mehr entstehen (vgl. Senat, Urteil vom 06.10.2020 - 4 U 2789/19 - juris; vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 31. Aufl., § 93 Rdnr. 11). Soweit die Klägerin meint, sie hätte aus finanziellen Gründen die Instandsetzungsarbeiten nicht durchführen können, schließt dies eine Berufung auf den Ablauf der Ausschlussfrist nach § 242 BGB nicht aus. Im Rahmen der Regulierung hat die Klägerin angegeben, das Grundstück sei lastenfrei (K 18) hat einen Kontoauszug vom 18.01.2016 vorgelegt, der einen Guthabensbetrag von 126.432,47 € aufweist. Dieser Betrag hätte zwar bei Weitem nicht ausgereicht, jedoch hat die Klägerin - nach ihrem Vorbringen - einen Mietvertrag abgeschlossen, der ihr ab Mitte 2016 Mieteinnahmen in Höhe von 18.000 € monatlich eingebracht hätte. Vor diesem Hintergrund wäre die Aufnahme eines Darlehens möglich gewesen. Darüber hinaus hätte die Klägerin auch die Umbaukosten für ein Asylbewerberheim ohne Weiteres finanzieren können. Der Geschäftsführer der Komplementär GmbH gab gegenüber der Polizei am 21.04.2016 an, dass er die Mittel zum Umbau zum Asylbewerberheim hätte aufbringen können, wegen der Lastenfreiheit des Objektes und bei Abschluss eines mehrjährigen Mietvertrages (Bl. 290 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte 207 Js 64832/16).

 

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.