Obliegenheitsverletzungen und Kürzung der Versicherungsleistung


Damit Sie nicht auf dem Schaden sitzen bleiben...
Damit Sie nicht auf dem Schaden sitzen bleiben...

Wie in jedem Versicherungsvertrag, muss der Versicherungsnehmer sowohl vor als auch nach Vertragsschluss Obliegenheiten beachten. Zunächst muss der Versicherer umfassend über das Objekt  informiert werden. Der Versicherungsnehmer hat das Objekt zu überwachen und Schaden abzuwenden. Sollte nichtsdestotrotz ein Schaden entstanden sein, ist der Versicherer umgehend zu informieren. Der Schadensbogen und ergänzende Fragen des Versicherers sind umfassend und wahrheitsgemäß zu beantworten. 

Werden die beschriebenen Pflichten nicht erfüllt, läuft man Gefahr, dass die Versicherungsleistung gekürzt wird.

 

In vielen Fällen sind die Kürzungen des Versicherers jedoch nicht gerechtfertigt:

 

  • Bei älteren Gebäudeversicherungen (bis 31.12.2007 abgeschlossen): Viele Versicherer haben von der Möglichkeit der Vertragsanpassung gem. Art. 1 Absatz 3 EGVVG keinen Gebrauch gemacht. Durch die Entscheidungen des BGH vom 12.10.2011 und 02.04.2014 ist für Obliegenheiten in solchen Altverträgen Folgendes geklärt: Ist das aktuelle Recht mit § 28 VVG auf solche Altverträge anwendbar, führt dies bei nicht oder nicht ordnungsgemäß nach Art. 1 Absatz 3 EGVVG an das neue VVG angepassten AVB wegen Verstoßes der dortigen (an § 6 VVG a. F. ausgerichteten) Rechtsfolgenregelung gegen §§ 28, 32 S. 1 VVG, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu deren Unwirksamkeit und ersatzlosen Wegfall. Eine Obliegenheitsverletzung bleibt damit – mangels vereinbarter Sanktion – folgenlos, sofern nicht gesetzliche Regelungen (z.B. über die Gefahrerhöhung nach §§ 23 ff. VVG, die Herbeiführung des Versicherungsfalles nach § 81 VVG oder die Schadensminderungsobliegenheit nach § 82 VVG) oder andere Klauseln (z.B. über Verwirkung bei versuchter arglistiger Täuschung) eingreifen. In der versicherungsrechtlichen Praxis bedeutet das, dass Obliegenheitsverletzungen bei Altverträgen grundsätzlich keine Rolle mehr spielen (vgl. nur Marlow, r+s 2015, 591). Das OLG Dresden hat mit Urteil vom 09.10.2012 (Az.: 11 U 172/11, r + s 2013, 24) instruktiv ausgeführt: „Bei Altverträgen kann in Versicherungsfällen, die seit dem 1.1.2009 eintreten, hinsichtlich der Verletzungsfolgen von Obliegenheiten, die mittels AVB vertraglich wurden und mit dem novellierten VVG nicht in Einklang stehen, nicht ohne Weiteres auf § 28 Abs. 2 VVG zurückgegriffen werden.“ Es bleibt daher lediglich die Regelung § 81 VVG. Im Unterschied zu den Regelungen der AVB ist jedoch zu sehen, dass § 81 VVG die vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles verlangt. Die Messlatte hierfür ist hoch: Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im konkreten Fall jedermann einleuchten musste (vgl. nur Prölss/Martin, § 81 VVG, Rn. 30 mit Verweis auf die st. Rspr.: BGH VersR 1953, 335; Hamm VersR 2012, 479, 481). Dabei muss die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts – und zwar gerade die des eingetretenen Schadens (BGH VersR 1992, 1087, 1089) – offenkundig so groß sein, dass es ohne Weiteres nahelag, zur Vermeidung des Versicherungsfalls ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen (vgl. Karlsruhe VersR 1992, 1507; München VersR 1994, 1060; Saarbrücken VersR 1996, 580; OGH VersR 2002, 1404).

 


Aktuelles:

Obliegenheitsverletzung bei ausweichenden Antworten

Mit nunmehr veröffentlichtem Urteil vom 11.10.2022 (Az.: 4 U 36/22) hat das Oberlandesgericht Dresden klargestellt, dass unzureichende oder ausweichende Antworten auf eine Anfrage des Versicherers, die die Grenze zur Antwortverweigerung nicht überschreiben, abhängig von den Umständen des Einzelfalls eine lediglich leicht fahrlässige Obliegenheitsverletzung darstellen können, die eine Leistungskürzung nicht rechtfertigt. Ferner stellte das OLG klar, dass eine Auskunftsobliegenheit in den allgemeinen Versicherungsbedingungen, die den Versicherungsnehmer verpflichtet, "jede Auskunft, auch in Schriftform zu erteilen", nicht die Verpflichtung zur Erteilung von Vollmachten zur Akteneinsicht in behördliche Unterlagen umfasst.

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Gebäudeversicherer haftet nicht für Schäden bei der Sanierung

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 21.03.2022 (Aktenzeichen: 8 U 3825/21) klargestellt: Beauftragt ein Hausrat- und/oder Gebäudeversicherer nach Eintritt des Versicherungsfalls einen Werkunternehmer mit der Instandsetzung beschädigter Gegenstände und Gebäudeteile, so handelt er regelmäßig im Namen des Versicherungsnehmers. Auch wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer bei der Beauftragung der Reparatur unterstützt bzw. sich darum kümmert, will er die Reparatur nicht als eigene vertragliche Verpflichtung und auf eigenes Risiko durchführen. Er will lediglich die Sanierung beschleunigen, um dem Versicherungsnehmer eine zeitnahe Entschädigung zu ermöglichen.

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