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LG Ulm: Berufsunfähig bei chronifizierte leichter depressiver Episode

Mit Urteil vom 08.05.2025 (Aktenzeichen: 3 O 229/22) hat das Landgericht Ulm der Klage eines Diplom-Ingenieur (Maschinenbau) stattgegeben, der seinen Versicherer auf Berufsunfähigkeitsrente wegen einer chronifizierten leichten depressiven Episode verklagt hatte.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Der Kläger war zuletzt als Projektleiter/Planer im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses beruflich tätig. Mit Schreiben vom 28.08.2019 machte der Kläger gegenüber seinem BU-Versicherer Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung geltend. Daraufhin trat dieser in die Leistungsprüfung ein und erbrachte zunächst vereinbarungsgemäß Leistungen wegen Krankschreibung vom 01.03.2019 bis 30.08.2020. Zum Zwecke der Prüfung ihrer Leistungspflicht unter dem Gesichtspunkt der Berufsunfähigkeit holte der Versicherer ein psychiatrisch-nervenärztliches Gutachten der Fachärztin Dr. H. nebst ergänzender Stellungnahme sowie ein psychologisches Zusatzgutachten der Diplom-Psychologin und Psychologischen Psychotherapeutin S.-B. ein, die jeweils am 05.05.2021 erstattet wurden. Mit Schreiben vom 23.06.2021 lehnte die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche mit der Begründung ab, dass beim Kläger keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nachgewiesen sei. Der Kläger trägt vor und ist der Auffassung, er sei ab 25.02.2019, jedenfalls aber ab 25.08.2019 infolge Krankheit sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50% außerstande, seine konkrete zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit auszuüben. Zuletzt habe er an fünf Tagen in der Woche je sieben Stunden gearbeitet. Er leide an einer depressiven Störung sowie an einer Somatisierungsstörung.

 

Das Landgericht hat sein Urteil wie folgt begründet: 

 

Der Landgericht Ulm hat zur Begründung u.a. ausgeführt, dass als Krankheit im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung jeder körperliche oder geistige Zustand in Betracht kommt, der vom normalen Gesundheitszustandszustand so stark und so nachhaltig abweicht, dass er geeignet ist, die berufliche Leistungsfähigkeit oder die berufliche Einsatzmöglichkeit dauerhaft (und nicht nur vorübergehend in großen Zeitabständen) auszuschließen oder zu beeinträchtigen. Die Krankheit muss objektiv vorliegen. Nicht ausreichend ist es, wenn der Versicherte lediglich meint, krank zu sein. Dabei ist gerade bei psychischen Störungen die Grenze sehr schwer zu ziehen und bedarf stets sachverständiger Beurteilung (Prölss/Martin/Lücke, VVG, 32. Aufl. 2024, § 172 VVG Rn. 38). Da es in der psychiatrisch psychotherapeutischen Diagnostik keine verlässliche Methode gibt, Störungen von Befinden und Erleben durch bestimmte Messergebnisse zu objektivieren, kommt es für die Feststellung der Berufsunfähigkeit eines psychisch Erkrankten entscheidend auf den psychischen Befund an, der sich aus den Angaben des Betroffenen zu seinem Erleben und Befinden und der Beobachtung seines Verhaltens ergibt (OLG Bremen, Urteil vom 25.06.2010 – 3 U 60/09). Der Untersucher muss sich sicher sein, dass die psychischen Beschwerden nicht vorgetäuscht sind (OLG Bremen, a.a.O.). Demgegenüber braucht der ärztliche Nachweis nicht in Befunden der Apparatemedizin oder der sonstigen Zusatzdiagnostik zu bestehen, da ansonsten auf psychiatrischem Fachgebiet wissenschaftlich nicht in Frage gestellte Erkrankungen wie alle affektiven Störungen (z.B. depressive Erkrankungen, außer sie sind Folge organischer Schädigungen) oder alle Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis nicht mehr zu diagnostizieren wären (BGH, Urteil vom 14.04.1999 – IV ZR 289/97).

Stellungnahme der Kanzlei Stenz & Rogoz:

 

Voraussetzung für eine Berufsunfähigkeitsrente ist in der Regel, dass der Versicherungsnehmer in einem Zeitraum von mindestens 6 Monaten außerstande ist, zu mindestens 50 % den zuletzt ausgeübten Beruf – so wie er ohne gesundheitliche Leistungsbeeinträchtigungen ausgestaltet war – auszuüben. Das Landgericht Ulm hat nun aufgezeigt, dass keine schweren psychischen Erkrankungen Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalles ist. Eine chronifizierte leichte depressive Episode genügt.