Mit Urteil vom 21.08.2025 (Aktenzeichen: 11 U 161/24) hat das OLG Celle entschieden, dass im Rahmen einer Berufsunfähigkeitsversicherung ein Installationsmonteur nicht auf eine Tätigkeit als Kaufmann für Versicherungen verwiesen werden kann. Darüber hinaus stellt das OLG klar, dass im Nachprüfungsverfahren eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast eintritt: Nunmehr ist es Sache des Versicherers zu beweisen, dass die Voraussetzungen seiner Leistungspflicht nicht mehr erfüllt sind.
Der Kläger nahm die Beklagte (ein deutsches Versicherungsunternehmen) nach Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens auf weitere Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und einer Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch.
Das Landgericht hatte die Klage zunächst insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass die zunächst von der Beklagten anerkannte Leistungspflicht aus den Versicherungsverträgen nach ordnungsgemäßer Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens nachträglich entfallen und die Beklagte leistungsfrei geworden sei, da eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Klägers nicht mehr vorliege (§ 3 Abs. 1 BBUZ 2008 und Teil A Ziff. 1.4 (1) lit. a AVB 356). Die aktuelle Tätigkeit des Klägers als Kaufmann für Versicherungen und Finanzen erfordere keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten als dessen damalige Tätigkeit als Installationsmonteur für Windkraftanlagen und stellvertretender Vorarbeiter. Die berufliche Lebensstellung, welche sich aus der Vergütung und sozialen Wertschätzung ergebe, sei ebenfalls vergleichbar. Die Vergütung der aktuell ausgeübten Tätigkeit sei nicht spürbar unter das Niveau der Vergütung der zuvor ausgeübten Tätigkeit gesunken. Insbesondere stelle die zwischen Eintritt der Berufsunfähigkeit und Verweisung verstrichene Zeit von sechseinhalb Jahren keinen besonders langen Zeitraum dar, der es ausnahmsweise rechtfertigen könnte, eine Fortschreibung des Einkommens im Ursprungsberuf des Klägers vorzunehmen. Bei der Bestimmung der Höhe des durch den Kläger in der zuvor ausgeübten Tätigkeit erzielten Bruttolohns seien weder die Überstunden noch der Verpflegungszuschlag und sonstige Zulagen einzubeziehen. Auch die soziale Wertschätzung sei nicht spürbar unter das Niveau der einst ausgeübten Berufstätigkeit als Installationsmonteur und stellvertretender Vorarbeiter abgesunken. Insbesondere habe nicht festgestellt werden können, dass mit dem Berufswechsel ein spürbarer Verlust an Entscheidungskompetenz einhergegangen sei.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die erstinstanzlich gestellten Ansprüche in vollem Umfang aufrechterhält.
Das Oberlandesgericht Celle hat der Berufung des Klägers stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt.
Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.
Das angegriffene Urteil beruht auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung.
[...]
B. Konkrete Verweisung
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Die Berufung ist zudem insgesamt begründet, weil das Landgericht zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen einer konkreten Verweisung ausgegangen ist. Der Kläger kann nach der gebotenen konkret-tätigkeitsbezogenen Gesamtbetrachtung auf die derzeit ausgeübte Tätigkeit als Kaufmann für Versicherungen und Finanzen wegen eines spürbaren Absinkens seines jetzigen Einkommens unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufes nicht verwiesen werden. Er hat insoweit der ihn treffenden Darlegungslast genügt.
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1. Hierzu hat der Senat die Parteien mit Hinweisbeschluss vom 17. Juni 2025 (a.a.O., unter II.) auf Folgendes hingewiesen:
„1. Die rechtlichen Voraussetzungen einer konkreten Verweisung durch den Versicherer im Nachprüfungsverfahren hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend herausgearbeitet und ist insbesondere zu Recht von einer sekundären Darlegungslast des Versicherungsnehmers für konkrete Umstände, die gegen eine Vergleichbarkeit des gegenwärtig ausgeübten Berufs sprechen, ausgegangen (vgl. LGU, S. 10).
a) Während im Erstprüfungsverfahren nach allgemeinen Regeln der Versicherungsnehmer den Eintritt der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit darlegen und erforderlichenfalls auch beweisen muss, tritt in dem Verfahren, in dem der Versicherungsnehmer nach der erfolgten Leistungseinstellung des Versicherers die weitere Leistungserbringung einklagt, eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast ein. Nunmehr ist es Sache des Versicherers zu beweisen, dass die Voraussetzungen seiner Leistungspflicht nicht mehr erfüllt sind (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2016 – IV ZR 434/15, juris Rn. 18 m.w.N.; Beckmann/MatuscheBeckmann/Rixecker, Versicherungsrechts-Handbuch, 4 Aufl., § 55 Rn. 207).
b) Den Versicherungsnehmer trifft hierbei allerdings eine sekundäre Darlegungslast, wenn er eine in der Einstellungsmitteilung erklärte Verweisung auf eine von ihm nunmehr konkret ausgeübte andere Tätigkeit nicht gelten lassen will; er muss vortragen, aus welchen konkreten Umständen sich eine fehlende Verweisbarkeit ergeben soll (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2016 a.a.O. Rn. 18 m.w.N; Urteil vom 21. April 2010 – IV ZR 8/08, juris Rn. 11; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 30. April 2025 – 11 U 45/24, juris Rn. 33 f.).
2. Der Kläger ist dieser Darlegungslast auch hinreichend nachgekommen, indem er insbesondere die Gehaltsabrechnungen der nunmehr ausgeübten sowie der früheren Tätigkeit vorgelegt hat und seine bisherige Tätigkeit im Rahmen der Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2024 (vgl. Sitzungsprotokoll, Bl. 400 d. e.-A. LG) näher erläutert hat. Entgegen der Ansicht des Landgerichts folgt indes bereits aus der sich hieraus ergebenden erheblichen Einkommenseinbuße die fehlende Verweisbarkeit auf die nunmehrige Tätigkeit, weil die jetzige Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung des Klägers nicht entspricht, ohne dass es dafür entscheidend auf die Vergleichbarkeit beider Berufe hinsichtlich der sozialen Wertschätzung ankommt.
a) Die bisherige Lebensstellung der versicherten Person, die gemäß § 3 Abs. 1 BBUZ 2008 Maßstab für den anzustellenden Vergleich ist, wird vor allem durch die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit geprägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf. Die Lebensstellung des Versicherten wird also von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt, die sich – ebenso wie die Vergütung dieser Tätigkeit – wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 – IV ZR 11/16, juris Rn. 10; Urteil vom 7. Dezember 2016, a.a.O. Rn. 15). Entscheidend ist eine Gesamtbetrachtung, bei der die Qualifikation der bisherigen und die der Vergleichstätigkeit prägenden Umstände miteinander verglichen werden (vgl. Prölss/Martin/Lücke, VVG, 32. Aufl., § 172 Rn. 84). In diesem Zusammenhang bedarf es stets einer auf den Einzelfall abgestellten Wertung, ob mit der neuen Tätigkeit nicht ein spürbarer sozialer Abstieg („und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht“) verbunden ist, den der Versicherte nach § 2 Nr. 1 BBUZ 2008 nicht hinzunehmen braucht; Indikatoren für das mit einem Beruf verbundene Sozialprestige sind insbesondere die zu seiner Ausübung notwendige Ausbildung und die Verdienstmöglichkeit (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1987 – IVa ZR 240/86, juris Rn. 16; Saarländisches OLG Saarbrücken, Urteil vom 5. April 2023 – 5 U 43/22, juris Rn. 29).
b) Im Ausgangspunkt rechtlich zutreffend hat das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass es bei der konkreten Verweisung für den Einkommensvergleich nicht auf die erzielbaren, sondern auf die tatsächlich erzielten Einkünfte auch dann ankommt, wenn die Einkommensminderung ausschließlich auf einer Minderung der Stundenzahl beruht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2016, a.a.O. Rn. 21 f.; OLG Nürnberg, Urteil vom 23. Januar 2012 – 8 U 607/11, juris Rn. 34). Ist dem Versicherer wie im Streitfall nur eine konkrete Verweisung möglich, kann er dem Versicherten auch dann kein fiktives Einkommen anrechnen, wenn dieser nur eine Teilzeitarbeit ausübt.
c) Das Landgericht hat seiner Entscheidung weiterhin zutreffend zugrunde gelegt, dass sich eine generelle Quote der hinzunehmenden Einkommenseinbuße angesichts der Bandbreite individueller Einkommen nicht festlegen lässt. Vielmehr ist stets eine einzelfallbezogene Betrachtung unerlässlich und geboten (BGH, Urteil vom 17. Juni 1998 – IV ZR 215/97, juris Rn. 23; Urteil vom 22. Oktober 1997 – IV ZR 259/96, juris Rn. 14). Allerdings haben sich in der Rechtsprechung insoweit grobe Richtwerte herausgebildet: So wird bei einer Absenkung des Lohnniveaus um bis zu 10% eine Gleichwertigkeit der Lebensstellung in der Regel immer bejaht. Bei einer Absenkung von bis zu 20% ist die Gleichwertigkeit der Lebensstellung fraglich, wobei allerdings eine deutliche Tendenz zur Gleichwertigkeit besteht. Bei einer Absenkung um bis zu 30% gilt dasselbe mit einer deutlichen Tendenz zur Ungleichwertigkeit (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 27. Oktober 2023 – 3 U 725/23, juris Rn. 48; OLG Celle, Beschluss vom 22. Mai 2017 – 8 U 59/17, juris Rn. 32).
d) Die Bewertung der Einkommensverhältnisse ergibt im Streitfall, dass der Kläger in der verwiesenen Tätigkeit ein um 27% gemindertes und damit spürbar geringeres Einkommen als in seiner bisherigen Tätigkeit erzielt; unter Berücksichtigung des vorgenannten Maßstabs sowie angesichts dessen, dass sich das Gehalt des Klägers im unteren mittleren Bereich bewegt, kann von einer Wahrung der Lebensstellung nicht ausgegangen werden, sodass die Vergleichbarkeit der beiden beruflichen Tätigkeiten im Hinblick auf die soziale Wertschätzung dahinstehen kann.
aa) Das Landgericht hat in seiner Vergleichsbetrachtung die im bisherigen Beruf des Klägers angefallenen Überstunden sowie die Verpflegungspauschale nicht berücksichtigt (vgl. LGU, S. 11 f.). Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Anfall von Überstunden könne insbesondere unter Berücksichtigung der vom Kläger im Rahmen seiner Anhörung gemachten Angaben nicht verlässlich prognostiziert werden und werde vom Kläger auch nicht dargetan. Im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2024 hat der Kläger unter anderem angegeben (vgl. Bl. 403 d. e.-A. LG):
„Vereinbart waren 40 Wochenstunden als Arbeitszeit. Die täglichen Arbeitszeiten variierten immer etwas. Dies lag auch daran, dass die Arbeit wetterabhängig ist und bei schlechtem Wetter dann teilweise gar nicht gearbeitet werden konnte. Das musste dann natürlich entsprechend nachgeholt werden. Dadurch waren die täglichen Arbeitszeiten unterschiedlich.“
Dies hat das Landgericht dahingehend wiedergegeben, der Kläger habe angegeben, aufgrund von schlechtem Wetter hätten sich die Arbeitstage auch verkürzen oder ganz ausbleiben können, woraus das Landgericht den Schluss gezogen hat, eine verlässliche Prognose von Überstunden könne nicht angestellt werden und sei vom Kläger auch nicht dargetan (vgl. LGU, S. 11).
Die regelmäßig gezahlte Verpflegungspauschale stelle keine Gegenleistung für die Arbeit und damit kein Arbeitseinkommen dar, weshalb sie ebenfalls aus dem zu vergleichenden Bruttogehalt herauszurechnen sei (vgl. LGU, S. 12).
bb) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Beurteilung nicht stand.
(1) Die Ansicht des Landgerichts, wonach eine verlässliche Prognose des Anfalls von Überstunden des Klägers in Anbetracht der wetterbedingt variierenden Arbeitszeit nicht getroffen werden könne, findet weder in den durch den Kläger vorgelegten Gehaltsabrechnungen von Juli bis September 2015 (Anlage K 7, Bl. 84 ff. d. e.-A. LG) noch in der Anhörung des Klägers eine Stütze.
Anders als es das Landgericht in den Entscheidungsgründen wiedergegeben hat, hat der Kläger zwar bekundet, es habe wetterbedingte Ausfälle gegeben, zugleich aber hinzugefügt, diese Arbeit habe entsprechend nachgeholt werden müssen (vgl. Sitzungsprotokoll vom 16. Juli 2024, Bl. 403 d. e.-A. LG, s.o.). Dies entspricht auch den vorgelegten Gehaltsabrechnungen, aus denen sich für die drei Monate der Tätigkeit des Klägers eine Durchschnittsarbeitszeit von monatlich knapp 212 Stunden ergibt, woraus eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit einschließlich Überstunden von 49 Stunden folgt.
(2) Vor diesem Hintergrund geben weder die Gehaltsabrechnungen des Klägers noch seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung Anlass zu der Annahme, er hätte bei Fortsetzung der damaligen Tätigkeit nicht auch weiterhin Überstunden in einer vergleichbaren Größenordnung abgeleistet. Da der Kläger mit der Vorlage der Gehaltsabrechnungen und den konkreten Angaben zu den Arbeitsabläufen in seiner bisherigen Tätigkeit seiner sekundären Darlegungslast hinreichend nachgekommen ist, wäre es an der Beklagten gewesen konkret darzulegen, dass eine verlässliche Prognose zukünftiger Überstunden ausgehend von den drei Monaten der Tätigkeit des Klägers nicht möglich ist. Indem das Landgericht davon ausgegangen ist, der Kläger habe Umstände, die eine verlässliche Prognose ermöglichen würden, nicht dargetan, hat es die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Klägers überspannt.
(3) Die monatlich gezahlte Verpflegungspauschale von durchschnittlich 352,- € netto ist entgegen der Auffassung des Landgerichts ebenfalls in die Vergleichsbetrachtung einzustellen.
Denn die beruflich begründete bisherige Lebensstellung des Versicherten wird von allen Vergütungsbestandteilen bestimmt, die im weitesten Sinn als Arbeits- oder Leistungsentgelt und nicht als Entschädigung für tatsächlich entstandene Aufwendungen zu betrachten sind. Spesen, Zulagen und Zuschläge sind daher als Einkommen zu berücksichtigen, wenn ihnen – typischerweise – keine entsprechenden Ausgaben gegenüberstehen (vgl. Saarländisches OLG Saarbrücken, Urteil vom 31. Mai 2006 – 5 U 605/05, juris Rn. 31; OLG Hamm, Urteil vom 5. Juni 1992 – 20 U 6/92, juris Rn. 22; Beckmann/MatuscheBeckmann/Rixecker, a.a.O. § 55 Rn. 144; tendenziell kritisch OLG Köln, Urteil vom 20. Juli 1998 -5 U 72/98, juris Rn. 36).
Die dem Kläger monatlich gezahlte steuerfreie Verpflegungspauschale machte etwa 18% des von ihm erzielten Nettoeinkommens von ca. 2.000,- € aus und damit einen nicht unerheblichen Anteil. Es erscheint vor diesem Hintergrund lebensfremd, dass ein Betrag, der fast ein Fünftel des im unteren mittleren Bereich liegenden Einkommens des Klägers ausmachte, nicht auch dessen Lebensstellung prägte, etwa indem er für andere Dinge als für Verpflegung, namentlich für Urlaubsreisen, Restaurantbesuche oder Ähnliches eingesetzt wurde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger ausweislich der Gehaltsabrechnungen regelmäßig lediglich eine Stunde länger als die üblichen acht Stunden auswärts arbeitete, sodass sich die Ausgaben für Verpflegung nicht in einem Maße erhöht haben dürften, welcher der gezahlten Pauschale entspricht.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Pauschale für die auswärtige Tätigkeit auf der Baustelle gezahlt wurde, welche mit Ausnahme der Freitage an nahezu jedem Werktag die Dauer von acht Stunden am Stück überstieg (vgl. Anlage K 7, Bl. 84 ff. d. e.-A. LG), besteht auch kein Zweifel daran, dass sie bei Fortbestehen der Tätigkeit weiterhin gezahlt worden wäre.
cc) Unter Berücksichtigung allein des Zeitlohns inklusive Überstunden sowie zuzüglich der Verpflegungspauschale errechnet sich ein durchschnittliches Bruttoeinkommen des Klägers im bisherigen Beruf in Höhe von 2.913,75 € wie folgt: [...]
3. Soweit die Beklagte sich erstinstanzlich darauf berufen hat, dass der Kläger in der von ihm zurzeit ausgeübten Tätigkeit die Anzahl der von ihm geleisteten Stunden allein aus dem Grund gering halte, um eine konkrete Verweisung durch die Beklagte mangels Vergleichbarkeit zu verhindern, und der Kläger dies im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung sogar bestätigt hat (vgl. Sitzungsprotokoll vom 16. Juli 2024, Bl. 404 d. e.-A. LG), führt dies weder zu einer Vergleichbarkeit noch dazu, dass eine Berufung des Klägers auf die fehlende Vergleichbarkeit treuwidrig gemäß § 242 BGB wäre.
a) Selbst wenn dem Kläger im Streitfall eine Vollzeitbeschäftigung gesundheitlich möglich und zumutbar wäre, wäre er weder aus Treu und Glauben noch zur Geringhaltung der ihm gegenüber der Beklagten zustehenden Ansprüche dazu angehalten, diese aufzunehmen. Denn eine Berufsunfähigkeitsversicherung, wie sie hier geschlossen wurde, ist keine Schadenssondern eine Summenversicherung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2000 – IV ZR 279/99, juris Rn. 7; OLG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2016 – 12 U 5/15, juris Rn. 82). Bei einer solchen ist im Versicherungsfall die vereinbarte Versicherungsleistung ohne Rücksicht darauf zu erbringen, welche Nachteile dem Versicherten durch den Versicherungsfall tatsächlich entstanden sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1979 – IV ZR 94/78, juris Rn. 18). Dies geht bei der Berufsunfähigkeitsversicherung häufig zum Nachteil des Versicherten, weil diese nur an die Berufsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf anknüpft und daher nicht das Risiko abdeckt, einen beruflichen Aufstieg aus einem versicherten Grund zu verpassen („keine Karriereversicherung“, vgl. nur OLG Köln, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 U 177/07, juris Rn. 2), und grundsätzlich nicht einmal die Teilhabe an der zu erwartenden Lohn- und Gehaltsentwicklung im Ursprungsberuf abgesichert ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2019 – IV ZR 19/18, juris Rn. 28 ff.). Umgekehrt kann dies aber auch zu einer Besserstellung des Versicherten gegenüber seiner hypothetischen Vermögenslage ohne Eintritt des Versicherungsfalles führen. Das Versicherungsrecht kennt auch kein allgemeines Bereicherungsverbot, durch das die Leistungspflicht des Versicherers beschränkt würde (vgl. bereits BGH, Urteil vom 18. Februar 2004 – IV ZR 94/03, juris Rn. 21; Urteil vom 17. Dezember 1997 – IV ZR 136/96, juris Rn. 27). Wo ein reales Risiko des Versicherungsnehmers wirksam versichert wurde, muss der Versicherer halten, was er vertraglich versprochen hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2004, a.a.O. Rn. 21).
b) Denn es steht dem Versicherer frei, durch geeignete Vertragsgestaltungen der Gefahr einer Überkompensation entgegenzuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1997, a.a.O. Rn. 30). Wenn und soweit er dies nicht getan hat, muss er es hinnehmen, dass es bei Summenversicherungen auch zu einer Überkompensation des Versicherungsnehmers kommen kann. In der Berufsunfähigkeitsversicherung ist die vereinbarte Versicherungsleistung daher namentlich auch dann weiterhin zu erbringen, wenn feststeht, dass der Versicherungsnehmer ab einem bestimmten Zeitpunkt auch ohne den vorherigen Eintritt der Berufsunfähigkeit kein entsprechendes Einkommen (mehr) erzielt hätte (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 5. Dezember 2024 – 12 U 34/24, juris Rn. 72). Ebenso verhält es sich, wenn der Versicherte trotz Versicherungsfalls wieder dasselbe Einkommen erzielt, die vertraglichen Voraussetzungen für eine Verweisung aber nicht vorliegen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 17. Mai 2011 – 12 U 45/11, juris Rn. 20) oder er ein solches Einkommen – wie im Streitfall – erzielen könnte, er diese Möglichkeit zwecks Erhaltung des Anspruchs gegen den Versicherer aber nicht wahrnimmt. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung, diese in der Ausgestaltung der Versicherung angelegten tatsächlichen oder vermeintlichen Unbilligkeiten zu korrigieren (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 12 U 93/12, juris Rn. 27).“
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2. Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 24. Juni 2025 (Bl. 191 ff. d. e.-A.) erhobenen Einwendungen gegen die vorstehende rechtliche Würdigung veranlassen den Senat nicht zu einer Änderung seiner Rechtsansicht:
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a) Soweit die Beklagte rügt, die Prognose von Überstunden lasse sich aus den vorgelegten drei Gehaltsabrechnungen nicht verlässlich ableiten, weil denkbar sei, dass es in den Vormonaten Ausfälle, also verminderte Arbeitszeiten, gegeben habe, die der Kläger dann in den Monaten Juli bis September nachgearbeitet habe (Bl. 192 d. e.-A.), hat der Kläger dem von der Beklagten unbestritten entgegengehalten, dass er erst ab Juli 2015 bei seinem damaligen Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei (vgl. Schriftsatz vom 6. August 2025, S. 1 f., Bl. 226 f. d. e.-A.).
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Der Senat hält demnach auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten an seiner Rechtsauffassung fest und erhebt die erteilten Hinweise zur Begründung seiner Entscheidung.
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b) Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen der Beklagten (Bl. 192 f. d. e.-A.) an der Einbeziehung der Verpflegungspauschale in das zum Vergleich der Einkommen der beruflichen Tätigkeiten heranzuziehende Bruttogehalt fest. Dem Kläger ist darin zuzustimmen, dass die steuerliche Behandlung der Verpflegungspauschale für den Grad ihrer Bedeutung für die Lebensstellung des Klägers nicht maßgeblich sein kann.
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Die Beklagte verweist zwar zutreffend darauf, dass der Zweck der steuerlichen Privilegierung der Verpflegungspauschale darin bestehe, erwartete Mehraufwendungen für Verpflegung bei mehr als achtstündiger Auswärtstätigkeit ohne Nachweispflicht abzugelten. Zugleich stellte die Summe der gezahlten Pauschalen, welche ausweislich der Gehaltsabrechnungen jeweils für Auswärtstätigkeiten gezahlt wurden, die die reguläre Arbeitszeit von acht Stunden lediglich um eine Stunde überschritten, einen nicht unerheblichen Bestandteil des Gehalts des Klägers dar. Die daraus hervorgehende, individuelle Bedeutung der Verpflegungspauschale für die Lebensstellung des Klägers rechtfertigt es, sie bei der Bestimmung des für den Vergleich maßgeblichen Bruttogehalts heranzuziehen.
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c) Schließlich folgt der Senat auch nach eingehender Würdigung der Einwendungen der Beklagten nicht in ihrer Ansicht (Bl. 193 f. d. e.-A.), dass sich der Kläger aufgrund gezielter Minderarbeit auf die fehlende Vergleichbarkeit der derzeit ausgeübten beruflichen Tätigkeit nicht berufen könne. Dass das Versicherungsverhältnis der Parteien durch den Grundsatz von Treu und Glauben geprägt ist, begründet weder die Verpflichtung noch die Obliegenheit des Klägers, durch die Aufnahme einer vergleichbaren Tätigkeit das Ende der Leistungspflicht der Beklagten herbeizuführen. Dies widerspräche, wie im Hinweisbeschluss bereits unter II.3. ausgeführt, dem ausdrücklichen Wortlaut der Bedingungen, welche die Leistungspflicht der Beklagten lediglich für den Fall der tatsächlichen Ausübung einer vergleichbaren Tätigkeit ausschließen. Bestünde eine Obliegenheit des Klägers zur Ausübung einer solchen Tätigkeit, gäbe es für die Vereinbarung einer abstrakten Verweisungsmöglichkeit keinen Raum mehr.
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3. Da die Voraussetzungen einer konkreten Verweisung nicht vorliegen, hat die Beklagte vertragsgemäß die begehrten rückständigen und künftigen monatlichen Rentenzahlungen zu erbringen sowie Befreiung von den Versicherungsbeiträgen zu leisten.